Sonntag, 1. März 2009

BARBARische Aufladegeräte. Heute (besonders ärgerlich) kein Visum.

ein sprung: maschi_unterwegs16
22.10.2008 /// Beirut

Das Aufstehen zum am Abend vorher verabredeten Zeitpunkt klappt wieder nicht, irgendwie stecken die letzten Tage tief in den Knochen.
Da man bereits zu spät ist, kehrt schnell wieder Ruhe ein und nach einem entspannten Frühstück wird wieder straßauf, straßab zur „Direction Générale de Sûreté Générale“ gedackelt. Hier darf M. nicht mit hochkommen und wartet deshalb im ihr zugewiesenen Warteraum. 3 ? Stunden lang. S. ist viel früher fertig als gedacht und schaut nicht im Warteraum nach, der M. eine Stunde zuvor zugewiesen worden war und geht gleich nach draußen. So wird wenige Meter voneinander entfernt stundenlang aufeinander gewartet, weil die eine nicht nach draußen geht (spricht kein arabisch!) und der andere nicht reinkommt (hat sein Gehirn nicht angeschaltet!).
Das Mittag gibt’s bei SNACK BARBAR in Form von TAHUK und geht auf S.’ Kosten. Danach wird im TEHMARBUTEH-Café eingekehrt, um W-Lan und BIBSI (Pepsi) zu frönen. Passend zum Verlauf des bisherigen Tages hat S. allerdings seinen Mini-PC bei AUDE vergessen – also kein Internet und nur teure Getränke. Großes Theater mit freiem Eintritt folgt dann als ein aufgebrachter anglophoner vielleicht älterer, vielleicht kranker Mann das Café stürmt und lautstark bekundet, dass hier ein Computerladekabel abhanden gekommen sei. Die Lage spitzt sich zu als in nochmal erhöhter Lautstärke dem gesamten Café versichert wird, dass es sein Ladegerät (charger) sei und dass es ihm hier gestohlen wurde, denn „I got my computer back, I got my bag back but I didn’t get my charger back!“ und nach der erneuten Aufforderung, mit dem Schreien aufzuhören , gibt er sinngemäß übersetzt diese Antwort: Ja, ich kann auch nicht schreien, aber ich lebe im Libanon und wir schreien hier in diesem Land! Eine großartigere Zusammenfassung von einem Nichtlibanesen zum Thema ‘Lautstärke’ ist nicht zu haben.
Im TEHMARBUTEH funktioniert außerdem die Klimaanlage ausgezeichnet und man ist in der Lage, heimatliche Temperaturen zu empfinden. Schön! Schnell raus in die weit über 20ºC und ein neues Tuch (manchmal ist das Bedecken des Haupthaares eine sehr gute Idee) für M. gekauft, ist das Vorherige doch derzeit auf dem Weg in den Irak. Unterwegs wird wieder einmal ein interessantes Poster entdeckt und man findet sich auf dem Campus und in der WEST HALL der AMERICAN UNIVERSITY of BEYROUTH wieder, um eine Ausstellung des neuesten Jahrgangs der Designstudenten zum Thema ‘Nachbarschaft’ („PEOPLE PLACES“) anzuschauen. Die Exhibition ist so lala aber das Gelände (in der Kladde schreibt M.: „Geländer“) der AUB ist einfach traumhaft.
Siedend heiß schießt sich nun der Gedanke ein, dass es gut wäre, ein paar Informationen zu M.s Rückflugmöglichkeiten einzuholen, weshalb jetzt endlich ein Internetcafé mit funktionierenden Anschlüssen und Computern aufgesucht wird. Sonntag früh wird via Istanbul in 5 Stunden nach Hamburg geflogen. So schnell kann das gehen.
Es steckt noch Kraft in den Beinen der beiden Reisenden und so wird die Mittelmeerküste Beiruts in Augenschein genommen und dort auch Abendbrot bei (Achtung!) SNACK M. BARBAR gegessen. Hier wird S. gebeten, etwas auf seiner Gitarre zu spielen und sogar das Angebot gemacht, die laufende Musik abzustellen. Im Fernsehen (ohne Ton) läuft ALMANAR, der Sender der HISBOLLAH.
Das reichliche Mahl wird durch einen Endlos -und endlos schönen- Spaziergang entlang der Mittelmeerküste, die von sandig zu steinig wechselt und eng mit Luxusappartements für die Ölscheichs in Wochenendlaune bebaut ist, abgelaufen. Auf der Promenade ist Beirut dann zum ersten mal wirklich durchmischt: Muslime, Christen, arm, reich, Fußgänger, Radfahrer*. Es wird in Gruppen, Familien, Clans zusammengesessen und NAGILEH geraucht. Die Bänke laden zum Verweilen ein und haben als cleveres Gimmick jeweils in ihrer Mitte ein Mosaik in Form eines Schachfeldes eingelassen. Die Promenade ist brandneu, noch nicht überall funktionieren die Laternen und im Plan und Bau wurden vollständig die Mülleimer übersehen (Vermutung!), die jetzt wie Aufsteller auf extra Betonfüßen und in unterschiedlichen Abständen platziert sympathisch vor sich hin stehen. Hier wirkt es kilometerlang entspannt bis der nächste McDonalds auftaucht.
Ein Schwarztaxi im eingeforderten SERVIS-Modus bringt die nun Müden bis zu SPINNEY’S, von da geht es zu Fuß bis zu AUDE, auf deren einem (von zwei) Balkon der Tag wieder seinen Ausklang findet. Diesmal mit HALAWA (Halva), ALMAZA (Bier) und M.s Fragen zum Libanon und wer sich hier mit wem eigentlich um was streitet. S. gibt sich alle Mühe aber noch ist der Nahost-Konflikt nicht gelöst im Kopf von M.

PS: Was haben wir gelernt:
1) >So lala heißt bei uns >es geht so. Hier heißt es „nein, nein“. Dazu wird übrigens mit dem Kopf genickt.
2) *Fahrradfahrer und kontinuierliche Fußgänger sind die eindeutigste Randgruppe in Beirut, gefolgt von den Kaugummikauern und Kleinwagenfahrern. So richtig zu Fuß gehen und Rad fahren kann man allerdings auch nur auf der Küstenpromenade, weil dort der Bordstein zu hoch für die Autos ist.
3) Wenn Arabien eine bestimmte geografische Ecke unserer zauberhaften Welt ist und man in dieser Ecke geboren wurde und lebt, aber kein Araber ist – was ist man dann?

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